Archäologie
Totenkrone auf Frauenschädel
Eine wahre Fundgrube ist das Ensemble der Kirchenburg in Walldorf für die Mitarbeiter des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege und Architektur. Gebietsreferent Dr. Mathias Seidel und die örtliche Grabungsleiterin Regina Frimel präsentierten am Montag eine Totenkrone, die sich auf dem Kopf eines vermutlich weiblichen Skeletts befand.
Einzuordnen ist dieser kupferhaltige Grabschmuckgegenstand in das 16. Jahrhundert. Ähnliche Funde kennt Frimel bislang nur aus Schmalkalden und Ummerstadt.
Bei Arbeiten zwischen Kirche und dem neu errichteten Leitergaden auf der Nordseite, wo durch das Abtragen von Erdschichten eine ebene Fläche hergerichtet werden soll, stießen Bauarbeiter erst auf die Grundmauern alter Gebäude und später auf menschliche Knochen. Das Gelände rund um die Kirche diente in vorangegangenen Jahrhunderten als Friedhof. Nachweislich wurden hier Menschen in bis zu sieben Lagen bestattet.
„Meininger Tageblatt“ 29. Juni 2016 Artikel von Oliver Benkert
„Totenkronen waren damals Mode“
Artikel von Redakteur Oliver Benkert
Die Totenkrone, die bei Ausgrabungen auf der Kirchenburg Walldorf auf dem Schädel eines weiblichen Skeletts entdeckt wurde, zählt zu den bemerkenswerten Funden jüngster Vergangenheit
Walldorf – Überall, wo Erdbewegungen auf dem Freigelände der Walldorfer Kirchenburg stattfinden, ist die örtliche Grabungsleiterin Regina Frimel oder einer ihrer Mitarbeiter mit vor Ort, um nach Schätzen aus alter Zeit Ausschau zu halten. Rund um die Kirche, dies ist nicht nur den Archäologen bekannt, findet man unzählige Skelette, denn in vergangenen Jahrhunderten dienten die Flächen als Friedhof.
Aber auch Skelette können natürlich hoch interessant sein. Beispielsweise wenn sie mit bedeutenden Grabbeigaben versehen worden sind oder besonderes Schmuckwerk aufweisen. Ein solches Skelett fand Frimel kürzlich bei Erdarbeiten an der Nordseite, zwischen der Kirche und dem neuen Leitergaden. Dort ist damit begonnen worden, Erde abzutragen, um eine Fläche zu begradigen. Fundamente von einer alten Werkstatt und einem Vorratsgebäude traten bei den Ausgrabungsarbeiten zutage, bei denen unter anderem ein Schlotfundament, Reste von Äpfeln, Birnen, Pflaumen und Getreide sowie ein Stück verkohlter Dielenfußboden nachgewiesen werden konnten, abgefackelt aller Wahrscheinlichkeit nach von den Kroaten im Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648).
In unmittelbarer Nähe zu den Bauwerken stieß die Grabungsleiterin bei fortführenden Bodenuntersuchungen auf erste Skelette. Ein paar Meter weiter machte sie den Fund, bei der auch ihr der Atem stockte. Keine 20 Zentimeter tief stieß sie auf eine zweite Bestattungsebene, in der ein männliches und weibliches Skelett nebeneinanderliegen. Auf dem Schädel der Frau macht sie ein fein gedrehtes kupferhaltiges Schmuckband aus, welches sie sorgfältig mit dem Pinsel freilegt. Es ist eine Totenkrone. Sie stammt vermutlich aus den Anfängen des 16. Jahrhunderts. „Die sind selten“, weiß Frimel sofort, dass es sich um einen besonderen Fund handelt.
Bei Ausgrabungen an der Kirche in Schmalkalden, die im Zuge der Marktneugestaltung erfolgten, legte sie mit Kollegen vor einigen Jahren rund 1600 Skelette frei. Zwei davon trugen eine Totenkrone. Sie erinnert sich auch noch an Ummerstadt, wo man bei 200 Bestattungen nur einmal auf einen solchen Kopfschmuck stieß. „Hier in Walldorf ist es ähnlich. Totenkronen waren damals eine Mode, auch wenn sie bei Bestattungen nicht so oft nachgewiesen werden können.“
Die bestätigt Mathias Seidel, Gebietsreferent des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie und Leiter des Steinsburgmuseums Römhild. „Während die Kronen zunächst den Toten mit ins Grab gegebenen wurden, führte die immer aufwendigere Ausführung vieler Totenkronen seit dem Barock dazu, dass diese im Besitz der jeweiligen Pfarrkirchen verblieben und den Toten nur während der Beisetzung aufgesetzt wurden, vor dem Begräbnis aber wieder entnommen und in den Kirchen gezeigt wurden.“ Das spricht zugleich dafür, dass die Bestattung in Walldorf mindestens barockzeitlich ist oder eher an den Übergang zur frühen Neuzeit in die Zeit um 1500 gehört.
Totenkronen zählen in Südthüringen in der denkmalpflegerischen Praxis zu den großen Ausnahmen. „In den letzten zehn Jahren haben wir in Schmalkalden und Ummerstadt bei Untersuchungen einzelne Totenkronen dokumentieren können. Insgesamt liegt die Zahl in meinem Arbeitsgebiet bei mehr als tausend spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Bestattungen unter einem halben Dutzend“, sagt Seidel. Schmuckwerk dieser Art sei seinerzeit unverheiratet Verstorbenen beiderlei Geschlechts, zumeist aber Frauen, mit ins Grab gegeben worden, als Zeichen einer symbolischen Vermählung mit Gott.
Grabungsleiterin Frimel hat die beiden Skelette, bei denen es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein bestattetes Paar handelt, unterdessen freigelegt. „Sie werden jetzt komplett geborgen“, war von ihr am Donnerstag zu erfahren. Von der Totenkrone, die beim Freilegen zerfallen ist, sind nur noch kupfergrüne Punkte auf der Frauenstirn geblieben.
Mit frdl. Genehmigung „Meininger Tageblatt – Werrabote“ Freitag, 29. Juli 2016 Seite 15