Der Brand
Am 3.April 2012 brannte unsere Kirche vollständig aus. Folgende Bilder und Texte geben einen Eindruck, welch einschneidendes Ereignis das für unsere Kirche, die Kirchgemeinde und unseren Ort darstellte.
Link: "Monumente" Als Christus vom Kreuz fiel
Walldorf - 30.05.2012 - Befindlichkeit
Sehr geehrte liebe Freunde der Kirchenburg,
nein, es gibt NICHT NUR das große Bauvorhaben „Rettung Kirchenburg“, es gibt auch eine konkrete Befindlichkeit in den Herzen der Walldorfer und ein Gemeindeleben, das wir langsam beginnen zu „sortieren“.
Der Schock des Brandes sitzt immer noch tief. Etliche Walldorfer haben die verbrannte Kirche noch nicht wirklich gesehen, denn die Burg ist aus guten Gründen verschlossen. Die Kirche sieht aus der Nähe so verheerend aus, dass viele Menschen in Tränen ausbrechen, Zeit brauchen, sich an den Anblick zu gewöhnen. Oft höre ich: „Das erinnert mich an den Krieg“ – nachvollziehen kann diese Aussage nur, wer beides erlebt hat. Täglich mehrfach dringt an mein Ohr: „mir fehlen die Glocken“ - natürlich fehlt uns auch der „gewohnte“ Gottesdienstraum“, ebenfalls legt der Anblick brandgeschwärzter Mauern aus der Ferne eine spürbare Last auf unsere Seelen, die nicht leicht zu tragen ist.
Ich biete vielen, die sich dem Ereignis stellen wollen, gern Vor-Ort-Besichtigungen an. Ich möchte unserer guten alten Kirche die Möglichkeit geben, Menschen direkt anzusprechen. Und sie redet tatsächlich, sogar ziemlich laut, fragt uns, wie wichtig sie uns ist, ob wir sie wiederhaben wollen, vor allem aber, was wir davon halten, dass sie uns verloren ging? Können wir in ihrer Asche vielleicht eine Botschaft ausmachen? Ein Ereignis dieser Größenordnung darf sich nicht auch geistig-theologisch in Rauch auflösen, es sollte Früchte tragen, sonst wäre unsere Kirche doppelt „verpufft“.
Neuanfang, Umdenken - diese Worte werden mehr und mehr zum Tenor fast aller Betroffenen. „Denkmalpflege“, was bedeutet das in Zukunft für uns: Nur außen an der Kirche? Wie viel davon innen? Und wie steht es mit unserer allgemeinen Zurückgewandtheit, die wir Kirchenleute angeblich so lieben? Wie viel geistige, theologische, traditionsverpflichtete Denkmalpflege treiben wir eigentlich – lagen oder liegen wir wirklich richtig?
Nach und nach ziehen wir auch wieder ein in die Kirchenburg - das Gemeindehaus nebenan ist ja noch intakt. Die Sitzungen reißen natürlich nie ab, die Bibelabende finden wieder statt, auch der Chor probt wieder hinter unseren dicken Mauern und die Gemeindenachmittage kehren zurück an den vertrauten Ort. Ab dem 19. Juni wollen wir sogar die Arbeit mit unseren 50 Kindern in die Burg zurückholen - das Gemeindehaus ist sicher, ebenfalls der große Garten, doch bei den Kindern bedarf es noch besonderer Obhut.
Ich selbst habe das Gefühl einer Zurück-Eroberung. Eine Hemmschwelle ist zu überwinden, auch eine Hemmschwelle der Sicherheitsängste.
Die Gottesdienste finden nach wie vor im Gottesdienstraum des Altenpflegezentrums statt, 70 Plätze gibt es da. Zu allen Vorhaben, die einer „richtigen“ Kirche bedürfen suchen wir uns nachbarschaftliche Hilfe – wir werden herzlich aufgenommen – danke - auch die Kollekten dürfen wir mit nach Hause nehmen.
All denen, die Walldorf nicht kennen und dennoch gelegentlich aus der Ferne anfragen, ob der finanzielle Aufwand für den Wiederaufbau auch wirklich gerechtfertigt sei, denen möchte ich mit reinstem Gewissen antworten: Der Wiederaufbau ist sogar dringend nötig - unsere Gemeinde braucht ein Haus - wir nutzen es fleißig. (Zwei Bilder im Monitorformat liegen bei.)
Hochzeitskirche
Bildnachweis:
Fotografin: Susanne Casper, Oepfershausen
Paar: Katja und Matthias Kirchner, Walldorf
Das war anders geplant. Natürlich sollte die Trauung in Walldorf stattfinden, im Weiß und Gold unserer guten alten Kirche. Zum ersten Traugespräch war Katjas und Matthias` Welt auch noch in Ordnung, dann Wochen später der Schock: Unsere Kirche brennt, es gab Tränen wie Löschwasser.
Immerhin, die Walldorfer Kniebank ist erhalten geblieben – sie stand unversehrt in der Sakristei und hat uns am Samstag vor Pfingsten in die Bettenhäuser Kirche begleitet. Fast hätte ich in die Urkunde geschrieben… am 26. Mai AUF WALLDORFER KNIEBANK in Bettenhausen getraut – ist ab er unzulässig und verstehen nur Insider, wie bedeutend uns solche Kleinigkeiten geworden sind.
Die Hochzeitsfotos mussten allerdings unbedingt in Walldorf sein, das war uns wichtig, nicht um spektakuläres zu tun – nein - bei Katja und Matthias ist es echte Liebe, zueinander und zu ihrer Kirche.
Mit herzlichen Grüßen, Heinrich v. Berlepsch, Pfarrer
11. 09. 2012 Seelsorge – einmal anders verstanden
Liebe FreundInnen der Kirchenburg!
Nach genau 25 Dienstjahren als Pfarrer und obendrein noch 25 Dienstjahren in Walldorf hatte ich unzählige Begegnungen mit „sterblichen Hüllen“... entseelt, schmerzliches Vermissen dessen, was einmal war, keine Rückkehr des Alten. Wer in diesen Wochen in unserer Kirchenruine steht, mag ähnlich empfinden. Da ist eine Hülle geblieben - verkohlt, beschädigt, leer. Was die Mauern einst füllte und belebte, die Seele und der Charme der alten Dorfkirche sind dahin.
Kirchenburg Walldorf, idealisiert, Skizze von G. Lilie 1904
Nein – falsch! Diese Mauern haben zwei Brände ÜBERLEBT: 1634 und 2012 und viele Jahrhunderte der Geschichte. Konsequent weitergedacht sind es eigentlich die Grenzerfahrungen, die Charakter verleihen - und genau das sollten wir verstehen, mit Sanierung der Kirche gestalterisch umzusetzen.
Wenn ich die Sorge der Walldorfer um ihre geliebte Kirchen in einem Satz zusammenfassen wollte, er würde lauten: „Wir haben Angst, dass unsere neue Kirche keine Seele mehr haben könnte.“ Diese Sorge um die Seele unserer Kirche treibt auch mich um – ich möchte darauf antworten.
Wer sich die Zeit nimmt und etwas länger zwischen den verkohlten Mauern unserer Kirche weilt, nimmt eine überraschende Verschiebung wahr! Bisher wurde unsere Kirche abgesehen von der imposanten äußeren Gestalt und Geschichte wesentlich geprägt durch das Inventar und die 2007 abgeschlossene Restaurierung. Nun jedoch erzählen die entkernten Mauern von dem langen Weg durch die Geschichte und Kunstepochen: Kein Mensch wusste bisher, wie viele „Narben“ unter dem Innenputz unserer Kirche versteckt waren und wie viele Umbrüche und Änderungen sie bereits erlebt hat – jetzt zeigen es die Mauern. Nicht nur Grenzerfahrungen, auch die „Falten und Furchen“ demonstrieren den Charakter unserer Burganlage und diese gilt es auszuhalten und nicht restlos zu retuschieren.
gez. Heinrich von Berlepsch
Link: Erinnerung an den Brand